Im Wartburgkreis sind heute zwei Kinder bei einem Busunglück ums Leben gekommen. Weitere sind schwer verletzt.
Ich denke, dass ich keines der Kinder oder deren Familie persönlich kenne. Trotzdem geht mir das Unglück so nah – in jeder freien Minute muss ich an sie denken. Fühle den Schmerz der Betroffenen, frage mich warum – wieso – weshalb und quäle mich mit dem Gedanken, dass es auch mein Kind treffen könnte.
Ich fühle mich gerade sehr egoistisch, denn dieser Beitrag entsteht, um mir den Schmerz und die immer wieder rotierenden Gedanken von der Seele zu schreiben. Ich lasse sie frei, gebe ihnen Raum und die Möglichkeit, sich auf diese Art und Weise weiter zu entwickeln.
Nicht, um zu verschwinden, sondern um sich zu verändern. Nicht, um jemand anderen mit ihnen zu belasten. Sondern, weil das eine Aufgabe dieses Blogs ist. Wenn ich meinen Schmerz und meine Trauer nieder schreibe, kann ich besser mit den beiden umgehen.
Schreiben – mein Weg
Zu schreiben hilft mir zu atmen.
Es hilft mir, meine Gedanken zu sortieren.
Meinen Gefühlen ihren Lauf zu lassen und Stück für Stück frei zu geben. Zu reflektieren – inne zu halten – und damit weiter zu machen.
Zu schreiben hilft mir die Knoten im Kopf und im Bauch zu lösen und mich von einer inneren Last zu befreien.
Das ist mein Weg – vielleicht hilft es dir auch?
Quälende Fragen
Warum?
Warum war es heute neblig? Warum war es glatt?
Warum habe ich mein Kind nicht selbst zur Schule gefahren?
Warum saß es genau dort im Bus wo es saß?
Warum mein Kind? Warum wir? Warum ich?
Es sind diese quälenden Fragen, die sich immer und immer wieder im Kreis drehen. Auf die es keine Antwort gibt. Kein richtig und kein falsch.
Es ist sinnlos sich diese Fragen zu stellen. Egal welche Antwort kommt, nichts bringt uns die Kinder zurück. Und trotzdem – man stellt die Fragen immer und immer wieder.
Es braucht Zeit und ganz viel Trauer, bis man sich diese Fragen nicht mehr stellt. Weil man das Geschehene akzeptiert hat.
In der Trauer gibt es kein richtig und kein falsch. Nur den eigenen Weg, den man nimmt. Ich habe mir auf diesem persönlichen Weg meine eigenen Vorstellungen vom Tod gesponnen. Sie sind der Anker meines täglichen Lebens, um mit Freude nach vorn zu blicken und innere Ruhe zu finden.
Helfende Gedanken
Meine Vorstellungen, meine Gedanken vom Tod sind:
- Der Verstorbene ist noch da. Und er wird nie weg sein. Du musst nicht los lassen. Er oder sie ist immer bei dir.
- Er kann dich sehen, dich begleiten. Dich allein lassen, wenn du allein sein möchtest. Bei dir sein, wenn du ihn brauchst. Dir die Daumen drücken und sich mit dir freuen. Dich trösten, wenn du Trost brauchst.
- Es geht ihm gut. Er hat kein Leid, keine Krankheit, keinen Schmerz. Er ist einfach frei.
- Er ist auch frei von negativen Gedanken oder Gefühlen. Er hegt keinen Groll gegen dich, gibt dir nicht die Schuld. Er verzeiht dir alles, was mal gewesen ist. Weil er sieht, dass Fehler menschlich sind und zum Leben dazu gehören.
- Er wünscht sich, dass es dir gut geht. Er möchte, dass du glücklich bist. Er ist stolz auf das, was du tust. Er möchte, dass du lebst.
- Wir sehen uns wieder. Wenn du stirbst, bist du wieder bei ihm. Bei allen Vorfahren, Freunden, Kindern. Für deine lebenden Angehörigen wird es zunächst schwer sein. Für dich ein kleines Freudenfest, alle wieder zu sehen.
Das große Ganze
Vor kurzem bin ich über diesen sehr heilsamen Gedanken gestolpert:
Und mir geht ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Kommt Frida daher, wohin Victor heimgekehrt ist? Kannte Victor Frida schon, bevor Ihr etwas von ihr ahntet?
Familientrauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper
Gehen wir mit dem Tod vielleicht alle dahin, wo wir her gekommen sind? Sind dort nicht nur unsere Vorfahren sondern auch die Menschen, die noch geboren werden?
Kannte meine Mama meinen Sohn vielleicht schon, bevor wir ihn kennen gelernt haben?
Keiner kennt die Antworten.
Deswegen dürfen wir an alles glauben, was unsere Wunden heilen lässt.
Ich wünsche allen Betroffenen dieses Unglücks, dass sie die Betreuung und Unterstützung erhalten, die sie jetzt und auch auf lange Zeit brauchen. Dass sie irgendwann ihren Frieden wieder finden. Und jetzt die Zeit, traurig zu sein, die Kraft, um die Erlebnisse durch zu stehen und den Mut, ihre Gefühle zu zu lassen.
Ihr seid nicht allein.