Der Geburtstagskalender

Gedanken
Ein zusammengeklappter Kalender

Seit ein paar Jahren verziert ein Geburtstagskalender die Wand in unserer Küche und ich freue mich immer darüber, wenn neue Einträge dazu kommen – durch Menschen, die in unser Leben treten oder durch Geburten im Familien- und Freundeskreis.

Mit Schönschrift schreibe ich die Namen der kleinen Erdenbürger und ihr Geburtsjahr auf und stelle mir vor, wie mein Sohn in den nächsten Jahren mit ihnen spielen wird. Dabei hoffe ich, dass wir uns und die Familien nicht aus den Augen verlieren.

Dass einige Namen irgendwann einmal gestrichen werden könnten? Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.

Dein Geburtstag

Bis zu einem Gespräch mit meiner Schwiegeroma. (Sagt man das so…?)
Bei einem Besuch hat mein Mann sie über ihre Eltern und Großeltern ausgefragt und sie hat in ihrem Kalender einige Geburtstage nachgeschaut. Viele waren durchgestrichen – bereits gestorben.

„Ach ja“, sagte sie. „So viele Namen musste ich schon durchstreichen.“ Da schwebte Wehmut in ihrer Stimme. Erinnerungen an ihre Kindheit, Jugend, das Leben als junge Erwachsene mit eigener Familie.

Ich selbst wäre gar nicht auf die Idee gekommen, die Geburtstage zu streichen, weil eine Person gestorben ist. Sie hat ja immer noch an diesem Tag Geburtstag. Nichts in der Welt ändert etwas daran, dass sie gelebt hat und dieses Leben an eben diesem Tag seinen Anfang fand.

Am Ende ist eine andere Familie

Dieses Erlebnis hat mich darüber nachdenken lassen, wie es wohl sein wird, wenn irgendwann einmal nur noch jüngere Verwandtschaft da ist. Alle Großeltern und Eltern gestorben sind. Ein sehr komisches Gefühl. Sehr sehr eigenartig. Ich gestehe, ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen und komme von dem Bild in meinem inneren Auge immer wieder weg.

Um mit dieser Vorstellung klar zu kommen, muss ich wohl noch ein bisschen „wachsen“. Eigentlich kann ich mich in viele Lebensabschnitte gut hinein versetzen. Das aber übersteigt meine Vorstellungskraft und die Emotionen, die ich aushalte, doch noch.

Alles hat seine Zeit

Diesen Satz nutze ich seit der Geburt meines Sohnes sehr häufig. Vor allem in Gedanken… „Die Zeit vergeht so schnell…“ „Sie werden so schnell groß…“ Ach ja, immer wieder diese seufzend gemurmelten Hinweise.

Ich versuche mich dann darauf zu besinnen, dankbar für das Hier und Jetzt zu sein und für das, was wir geschenkt bekommen haben. Es ist wundervoll, dass jetzt ein Baby bei uns wohnt. Aber es wird genauso wundervoll sein, ein Kleinkind zu haben, einen Teenager, ein erwachsenes Kind, …

Alles hat seine Zeit.
Lasst uns die schönen Momente in vollen Zügen genießen und später mit einem lachenden und einem weinenden Auge darauf zurück blicken.

Alles hat seine Zeit.
Für jeden von uns. Keiner kommt davon. Wir werden alle älter, keines der Kinder bleibt klein. Ziemlich fair, oder?

Alles hat seine Zeit.
Auch die Zeit der Erinnerung. Streicht bitte keine Geburtstage aus euren Kalendern. Feiert sie trotzdem – innerlich – oder tatsächlich mit den Freunden und Verwandten, die auch noch da sind und sich seufzend an „alte Zeiten“ erinnern.

Die Menschen, die uns nah standen und uns ein Stück auf dem Lebensweg begleitet haben, sind doch nie ganz weg. Denkt sie euch weiterhin dazu, stoßt mit ihnen an.